12.01.2017 Erster Test Michelin Power RS gegen Metzeler Sportec M7RR
Valencia Januar 2017
Michelin bat uns im November, bei der Präsentation des neuen Power RS, diesen exklusiv zu testen.
Daher wurden wir im Januar nach Valencia eingeladen.
Jedoch wollte Michelin uns nicht nur den neuen RS vorstellen, man bestand darauf, dass wir einen Wettbewerbsreifen aussuchen und mitbringen, dem sich der neue Power RS, bei einem 5 Tage-Vergleichstest, stellen sollte.
Gesagt getan, 2 identische Aprilia Tuono 1100 Factory besorgt, ausgelost, wer mit dem Transporter den Weg nach Spanien antreten muss (der Rest der Truppe durfte fliegen) und auf nach Valencia.
(Besonderer Dank an dieser Stelle an Zweirad Knoderer-Kollmer in Lahr)
Am 05.01. drehten wir 2 langsame Turns auf der Rennstrecke in Valencia, um an beiden Mopeds die Öhlins-Komponenten anzugleichen und ein paar Szenen für den Kameramann zu fixen.
Mangels eigenen richtig schnellem Fahrer* übernahm ein Ex-Kollege aus der Langstrecke, den wir in Valencia getroffen hatten, für einen Turn diese Aufgabe und fühlte dem Power RS auf den Zahn.
Fazit: schnell und rund auf dem Rundkurs gefahren gibt sich der RS keine Blöße. Die seitlich verbauten Russmischungen am Hinterrad verzahnen sich sehr stark und bieten ein sehr hohes Griplevel. Lediglich der Übergang vom silikahaltigen Mittellaufstreifen zur Russmischung wird nach einigen Runden deutlich sichtbar.
Im Gegensatz zu reinen Silikamischungen, wie z.b. am Sportec M7RR, kocht die Russmischung bei harter Dauerbelastung am Hinterrad nicht aus und überhitzt daher viel später. Der Power RS ermöglicht mehrere schnelle Runden auf der Rennstrecke, ohne zu überhitzen und dann plötzlich auszukeilen.
Verständlich jedoch, dass diese reine Russmischung an den Seiten dann etwas stärker verschleisst, als das Silikapendant. Nicht dramatisch, aber der Übergang vom Mittellaufsteifen zu den Seitenstreifen wird sichtbar.
Da weder der Sportec M7RR noch der Power RS für die Rennstrecke konzipiert sind (geführte Renntrainings stellen bei Beiden kein Problem dar), konzentrierten wir uns, die nächsten 700 km, auf die Landstrassenperformance der beiden Sportreifen.
Kameramann Franky, Tuono-Factory-Besitzer und bekennender Bridgestone S21-Fan und ich machten uns also die nächsten Tage, im Umland von Valencia, auf die Suche nach schönen Strassen und verglichen die beiden Sportreifen.
Bedingt durch die kalten Nächte (Gefrierpunkt) starteten wir morgens, so gegen 10 Uhr bei rund 6 Grad, zu unseren Ausfahrten.
Der Sportec M7RR ist bekannt für seine guten Kaltlaufeigenschaften und das schnelle geschmeidige Abrollen nach wenigen Metern. Der neue Power RS steht dem in nichts nach. Beide Reifen rollen völlig unbeeindruckt, ob der tiefen Temperaturen, sofort schön ab und haben nicht dieses holzige Ablaufverhalten anderer Sportreifen, bei Kälte. Bereits nach wenigen hundert Meteren kann man mit beiden die Kurven ohne Unbehagen anfahren und die kalten Knochen auf dem Moped sortieren.
Die ABS-Bremstests aus ca.130km/h erbrachten Unterschiede:
Im kalten Zustand bremst der M7RR etwas besser, beim Power RS regelt das ABS-System der Tuono früher und öfter.
Das dreht sich um, sobald die Vorderreifen nach 4-5 Bremsvorgängen auf Temperatur gekommen sind.
Mit dem M7RR gelingen zwar fantastische Verzögerungswerte, doch was der Power RS dann abliefert, ist fast schon Rennsportniveau. Die Factory geht bei 130 km/h aufs Vorderrad und bremst, mit leicht erhobener Hinterpfote, rund 10m bis das ABS zu regeln beginnt. Der M7RR Reiter rauscht erstaunt am Power-Piloten vorbei. In Summe bremste bei uns der Power RS, im Warmzustand, rund 3m besser aus 130 km/h als der Sportec M7RR, das ist schon bemerkenswert.
Harte Karkasse = Top Handling, weiche Karkasse etwas träger ?
Franky steht auf messerscharfes Einlenken und nimmt dafür Komforteinbussen gerne in Kauf. Ich mag es eher etwas komfortabler und will nicht immer voll konzentriert beim Einlenken sein. Angesichts unseres grossen Sportreifen-Test, Anfang 2016, waren wir der Meinung, entweder-oder. Alle der Probanten gingen seinerzeit entweder den Weg der weicheren Karkasse und etwas trägerem Handling oder der harten Karkasse mit Komforteinbussen.
Der neue Power RS kann Beides.
Er lenkt sehr zielgenau ein, zwar immernoch etwas träger als der Bridgestone S21, aber etwas leichter als der M7RR oder Conti Sport Attack 3. Das Abrollverhalten und die Eigendämpfung des Power RS sind eine neue Dimension. Katzengleich überrollt er Bodenunebenheiten, ignoriert Spurrillen und gibt trotzdem ein gutes Feedback. Die minimale Unhandlichkeit, beim Einbremsen in Kurven, verzeiht man dem Reifen. Zumal man diese wirlich nur im direkten Umstieg auf den Sportec M7RR bemerkt, wenn man es provoziert und darauf achtet.
Die 700 km haben beide Reifen nicht beeindruckt, somit gehen wir von ähnlichen Laufleitungen aus. Nur Piloten die ständig auf Kante unterwegs sind, werden beim Power RS einen etwas höheren Schulterverschleiss feststellen.
Die sportliche Optik und das gefühlt geringe Negativprofil des Power RS, kombiniert mit einer nässescheuen Russmischung an den Seiten des Hinterrades, machten uns Anfangs etwas Kopfzerbrechen. Wie würde der Power RS bei nassen Strassen und kalten Belägen funktionieren?
Dies konnten wir auf einem rund 25 km langen Pass bei rund 4 Grad ausführlich testen.
Mein Fazit: Wer mit dem Power RS bei Nässe nicht wohlbehalten zuhause ankommt, sollte über seinen Fahrstil bei Nässe mal nachdenken.
Logisch kann man mit den RS, wie häufig in Nässetests durchgeführt, nicht auf Kante fahren. Jedoch ist die Abdeckung der Silikamischung am Hinterrad so breit, dass Schräglagen von 25-30 Grad problemlos möglich sind. Das Vorderrad (Vollsilika) ist auf dem Niveau der Mitbewerber Conti Sport Attack 3 oder Metzeler Sportec M7RR.
Was sind die Highlights des Power RS?
Abrollverhalten, Bremsperformance warm, Kurvengrip warm, Stabilität
Franky und ich haben für 2017 unseren Reifen, für die Sportmopeds in den heimischen Garagen, gefunden.
Gratulation Michelin, well done.
* bin 54 Lenze und brauche mindestens 3 Tage Rennstrecke Valencia, um im Kopf Kapazitäten für den Reifen verfügbar zu haben